Eine bisher kaum beachtete aber sehr weitreichende Entscheidung des EuGH zum Verjährungsbeginn von Rückforderungsansprüchen

Das EuGH-Urteil zur RL 93/13 besagt, dass Verbraucher erst ab Kenntnis der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln Verjährung geltend machen können, unabhängig von gefestigter nationaler Rechtsprechung. Dies impliziert faktisch eine Unverjährbarkeit von Verbraucherrechten. Banken könnten jederzeit mit Klagen rechnen, wie im Fall von Darlehenswiderrufen. Bisher gab es jedoch keine Stellungnahme seitens der Bundesregierung oder des BMJ.
21. Mai 2024
Zur Verfügung gestellt von RA Jürgen Hotz

Rechtskenntnis ist für Beginn der Verjährung erforderlich 

Urteilsspruch: 

  1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind im Licht des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach im Anschluss an die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, mit der dem Verbraucher die Kosten des Abschlusses eines Hypothekendarlehens auferlegt werden, der Anspruch auf Erstattung solcher Kosten einer Verjährungseinrede von 10 Jahren unterliegt, die ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich die Wirkungen dieser Klausel erschöpft haben, weil die letzte Zahlung der Kosten geleistet wurde, ohne dass es insoweit als relevant angesehen würde, dass der Verbraucher von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts Kenntnis hat. Ob die Anwendungsmodalitäten einer Verjährungsfrist mit den o.g. Bestimmungen vereinbar sind, ist unter Berücksichtigung dieser Modalitäten in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. 
  2. Die RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach zur Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist für den Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung aufgrund von einer missbräuchlichen Vertragsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträgen das Bestehen einer gefestigten nationalen Rechtsprechung zur Nichtigkeit derartiger Klauseln als Nachweis dafür angesehen werden kann, dass die Voraussetzung der Kenntnis des betroffenen Verbrauchers von der Missbräuchlichkeit dieser Klausel und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen erfüllt ist. 

Das Urteil hat eine gewisse Sprengkraft. Dadurch, dass der EuGH nun erklärt, dass der Verbraucher Kenntnis von der rechtlichen Beurteilung der Tatsachen haben 

muss, die die Missbräuchlichkeit begründen und so lange dies nicht der Fall ist, die Verjährung nicht zu laufen beginnt, impliziert diese Entscheidung quasi eine Unverjährbarkeit von Verbraucherrechten. 

Als Beispiel, um die Schachtelsätze des EuGH zu verstehen, gilt die Rspr. des BGH zu den Darlehenswiderrufen. In diesem Zusammenhang hatten deutsche Gerichte entschieden, dass die Verjährung erst beginnt, wenn eine gefestigte Rspr. ersichtlich ist und es den Verbrauchern damit zumutbar war Klage einzureichen. 

Nach diesem Urteil muss die Bank jetzt eigentlich jederzeit mit einer Klage rechnen. 

Die Bundesregierung oder das BMJ gaben zu diesem Urteil jedoch bisher -trotz Aufforderungen aus der Literatur – noch keine Stellungnahme ab.

Quelle(n)

EuGH v. 25.01 2024, C-813/21